Der Fall:
Werbung ist Wirkung, Kommunikation, Kreativität, Anspruch und manchmal auch Witz. Häufig ist Werbung klassisches Massengeschäft und findet ihre wichtigste Kenngröße in der Reichweite. Flyer, Poster, Broschüren und Mailings werden täglich neu gefertigt oder wieder aufgelegt.
Nicht selten „wandern“ Auftragsbudgets und Mitarbeiter von einer Werbeagentur zur anderen. Ob großer oder kleiner Auftrag, fast alle diese Aufträge leiden unter einem massiven Wettbewerb durch Konkurrenz mit einer abwärts gerichteten Preisspirale.
Wird ein bestimmter periodischer Auftrag an eine andere Agentur vergeben, sollen zuvor gestaltete Inhalte von Publikationen mit gleichem oder ähnlichen Design bei der neuen Agentur weiterlaufen. Hat der Kunde ein geeignetes Nutzungsrecht an seinen zuvor in Auftrag gegebenen und bezahlten Designarbeiten erworben? Wurden alle fraglichen und möglichen Nutzungsformen im voraus klar definiert? Hat die Agentur oder der Designer überhaupt ein Werk mit entsprechender Gestaltungshöhe erschaffen? Darf die neue Agentur bestimmte, bestehende Designs weiterverwenden bzw. weiterverarbeiten oder unterliegt sie einem (Struktur)-Plagiat?
Der Schutzumfang von Werken wird bestimmt durch den Grad der Individualität und ist damit das zentrale Kriterium des Werkbegriffs. Die Individualität des Urhebers hat unterschiedliche Ausprägungen. Werke mit nur geringem Grad an schöpferischer Eigentümlichkeit unterliegen auch nur einem niedrigen Schutzumfang .
Schutzfähige Werke sind in § 2 UrhG (Urheberrechtsgesetz) definiert. Abs. 2 beschreibt zudem „nur persönliche geistige Schöpfungen“. Der Begriff „Schöpfungshöhe“ ist als solcher nicht im Urheberrechtsgesetz genannt. Im Kern geht es um die kreativen, gedanklichen Leistungen (allgemein das „geistige Eigentum“), die allerdings erst in einem Werk erschaffen werden müssen, um „Schutzfähigkeit“ zu erlangen. Mit Schöpfungshöhe ist gemeinhin die „Gestaltungshöhe“ gemeint, die als Merkmal der geistigen Schöpfung eine gewisse Originalität und Individualität des Werkes, häufig als künstlerische Gestaltungshöhe bezeichnet.
Oftmals werden neben Aufträgen, z. B. Werbebroschüren, vom Auftraggeber sog. „Styleguides“ mitgeliefert. Ein Styleguide beschreibt die für ein bestimmtes Corporate Design (CD) notwendige Gestaltungsregeln, um ein CD konsequent umzusetzen. Ein geordneter Gebrauch der Gestaltungselemente erleichtert die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Designern. Das CD beschreibt die Gesamtheit des äußeren Erscheinungsbildes und den Firmenstil eines Unternehmens prägende Gestaltungselemente und bringt den visuellen Auftritt des Unternehmens in eine optimale Geschlossenheit. Im Styleguide sind hierzu die grafischen Anforderungen mehr oder weniger genau geregelt und vom Unternehmen vorgegeben.
Die tatsächlichen, gestalterischen Gegebenheiten stehen manchmal im Konflikt mit den in AGB oder Auftragsbestätigungen geregelten Urheber- und Nutzungsrechten. Ist eine Regelung falsch, wird sie voraussichtlich auch keine Anwendung finden.
Die Fragestellungen:
Bewerten einer Werbebroschüre hinsichtlich seiner Schöpfungshöhe und Individualität, um daraus einen Urheberrechts- und Nutzungsanspruch ableiten zu können.
Auftraggeber:
Privatgutachten, Agentur