Künstlerisches Schaffen in freiberuflicher Tätigkeit wird von Finanzbehörden häufig mit der Begründung abgelehnt, einer gewerblichen Tätigkeit nachzugehen. Oft wird unterstellt, dass die zu Werbe- und sonstigen Gebrauchszwecken erstellten Designarbeiten nicht den hohen Anforderungen, genügen, die die Rechtsprechung an eine Anerkennung der sog. Gebrauchskunst als künstlerisch i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG stelle.
Zwar seien Kreativität und technische Fähigkeiten des Designers erkennbar, es mangele jedoch an dem für eine gewisse Gestaltungshöhe erforderlichen Abstraktionsgrad. Die zu verwendenden Materialien und Formen seien vorgegeben, ebenso der Zweck, das Werk sei schablonenartig gefertigt. Deshalb sei ein Abstrahieren nur begrenzt möglich. Die Bindung durch Produkt- und Gebrauchszweck seien so deutlich prägend, dass keine abstrakte Aussage erkennbar wäre. Maßgeblich sei allein, wie die im Prüfungszeitraum der Einkünfteerzielung dienenden maßgeblichen Tätigkeiten, die der Gesamttätigkeit das Gepräge geben, einzuordnen seien.
Künstlerische Tätigkeit wird erfahrungsgemäß in 3 Stufen definiert. Zuerst durch den Designer selbst. Dann durch den Einspruch des Finanzamtes und letztlich durch die Entscheidungen der Finanzgerichte. Eine selbständige künstlerische Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegt vor, wenn die Arbeiten des Steuerpflichtigen nach ihrem Gesamtbild eigenschöpferisch sind und über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe erreichen. Eine eigenschöpferische Leistung ist gegeben, wenn in ihr die individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft des Künstlers zum Ausdruck kommt bzw. wenn in „freier schöpferischer Gestaltung“ im Werk „Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden“ (Deutscher Bundestag (2007) S. 252. Kunst ist demnach eine Frage der Wirkung.
Damit besteht die geistige Schöpfung aus 4 Elementen:
1. Die persönliche Erschaffung von Werken,
2. die Darstellung einer wahrnehmbaren Form,
3. der Grad der Individualität (neue inhaltliche Form),
4. Erreichen einer notwendigen Gestaltungshöhe (quantitatives Maß der Individualität).
Eine künstlerische Tätigkeit schließt die Beschäftigung bzw. Beauftragung von qualifizierten Mitarbeitern nicht aus. Entscheidend ist die Ausübung und Beibehaltung des gestalterischen Einflusses (Kreativhoheit) durch den künstlerisch tätigen Designer auf sämtliche, zur Herstellung des Kunstwerks erforderlichen Tätigkeiten.
„Eine künstlerische Tätigkeit kann vielmehr auch dann vorliegen, wenn jemand zwar seine Leistungen in den Dienst der Werbung stellt, diese aber aufgrund künstlerischer Fähigkeiten und in künstlerischer Weise vollbringt. Entscheidend ist, ob die Arbeiten ohne Rücksicht auf ihre Verwendung künstlerischen Charakter aufweisen. Dazu ist erforderlich, dass sie nicht das Produkt handwerksmäßig erlernter bzw. erlernbarer Tätigkeiten darstellen, sondern darüber hinaus etwas Eigenschöpferisches enthalten und eine künstlerische Gestaltungshöhe aufweisen.“ (BFH-Urteil vom 14.12.1976 VIII R 76/75, BStBl II 1977, 474; FG Köln · Urteil vom 15. Februar 2006 · Az. 14 K 7867/98)
Das Einkommensteuergesetz (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (§ 1 Abs. 2 PartGG) unterscheiden 3 freiberufliche Tätigkeitsgruppen und führen Kriterien auf, die für die Einstufung entscheidend sind:
1. Katalogberufe
2. Ähnliche Berufe (Analogberufe)
3. Tätigkeitsberufe
Darüber hinaus müssen die berufssoziologischen Kriterien bei allen 3 Tätigkeitsgruppen erfüllt sein.
Unter Grafik-Design (siehe S. 215) (Grafik = schreiben, zeichnen, malen, Design = entwerfen) wird die visuelle Gestaltung und Umsetzung (z. B. Malen, Zeichnen, Radierungen, Typografie, Computergrafik) von Inhalten in verschiedenen Medien verstanden, damit eng verbunden ist eine visuelle Kommunikation. Ein Unternehmen wird regelmäßig nur die Absicht seiner Kommunikationsziele definieren können, nicht jedoch auch die dafür notwendigen Designstrategien. Ein Grafik-Designer (Klassifikation der Berufe von 2010 (KldB 2010)) ist neben der künstlerischen Betätigung auch planend, konzeptionell, publizistisch und beratend tätig.
Negativabgrenzungen bestehen bei Berufen im grafischen Gewerbe, im Kunsthandwerk sowie bei Berufen des Medienvorlagenherstellers und Mediengestalters Digital und Print. Neben den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit können auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 EStG erzielt werden. Sind gemischte Tätigkeiten trennbar, werden sie durch die Geprägetheorie (bei Einzelunternehmer) sowie die Abfärbetheorie (bei Personengesellschafften) bestimmt. Ausnahmen bestehen dann, wenn es sich bei einer gewerblichen Tätigkeit um eine untergeordnete Tätigkeit handelt (dienende Funktion).
Die Fragestellung:
Wurden die Leistungen als Grafik-Designer in den Streitjahren selbständig (und damit künstlerisch tätig) oder gewerblich erbracht.
Auftraggeber:
Finanzgericht (Gerichtsgutachten)